Titel-Ausstellung "TITANIC" im Caricatura Museum Frankfurt

Frontalangriffe mit spitzer Feder

40 Jahre TITANIC: Titelschau im Caricatura-Museum

Die Satirezeitschrift TITANIC hält sich seit mehr als 40 Jahren ganz locker über Wasser. Woher rührt „die merkwürdige Langlebigkeit des notorisch unbeliebten Witzblatts“, wie es in der Jubiläumsausgabe im Oktber 2019 hieß? Ein Erfolgsgarant sind die Titelbilder. Ob Birne oder Genschman, Pinkelpapst oder Zonen-Gaby: Die Motive, satirische Gegenentwürfe der deutschen Historie, schrieben teilweise selbst Geschichte. Zum 40.Geburtstag zeigte das Caricatura-Museum Frankfurt von Oktober 2019 bis Februar 2020 „Die endgültige TITANIC-Titelausstellung“.

„Meine erste Banane“ sorgte vor 30 Jahren für Furore: Auf dem TITANIC-Titel 11/1989 reckte Zonen-Gaby unter Freudentränen eine halb geschälte Gurke empor und avancierte damit zur Kultfigur, die auch in der Ausstellung mit überlebensgroßer Darstellung und einer Vitrine voller angeblicher Originalrequisiten gewürdigt wird. Größter Coverstar aber war Helmut Kohl: Hier erstmals und dann nachhaltig als „Birne“ tituliert, schaffte es der frühere Bundeskanzler mehr als 80-mal auf die TITANIC-Frontseite. Kommentare seinerseits dazu blieben aus. „Kohl war klug genug, auf nichts zu reagieren – denn eine öffentliche Debatte macht Krawall-Satire nur noch bekannter“, weiß Ausstellungskurator Tim Wolff, von 2013 bis 2018 Chefredakteur des Satiremagazins.

Ob sich diese TITEL-Stars über ihre Cover-Story freuten? copyright: Caricatura

Klage vom Papst begeisterte die Redaktion

Kurzsichtiger war Papst Benedikt XVI: Seine Klage gegen die „undichte Stelle“ im Vatikan (Titel von Juli 2012) begeisterte die Redaktion und brachte das Motiv erst recht in Umlauf. „Damit haben wir das Maximum an Klagemöglichkeit erreicht“, freut sich Wolff. Zum Kreuz-Verhör kam es aber nicht: Die Kirche lenkte ein und zog die Klage zurück. Für manch anderes Motiv musste die TITANIC blechen – allen voran für Björn Engholm, der 1993 anstelle von Uwe Barschel in der Genfer Badewanne lag: Das brachte dem damaligen Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins die Rekordsumme von 40.000 DM an Schmerzensgeld ein. Auch Jesus am Kreuz mit dem Untertitel „Ich war eine Dose“ ging gar nicht, doch hier hielt die Kirche still: Die Weißblechindustrie hatte gegen die Verwendung ihres Slogans geklagt.

Wer in der Ausstellung in Frankfurt genau hinschaute, fand auch die verbotenen Heftseiten – ebenso wie 168 Titeldrucke, 67 Originalzeichnungen und -entwürfe zu den Frontalangriffen, 3.000 Vignetten von Hilke Raddatz, Dokumente zu den juristischen Verfahren und aufgebrachte Leserzuschriften wie „Ich wünsche Ihnen alles Schlechte und ein kurzes Leben“. Wo die Satire aufhört und der Spaß erst richtig anfängt, zeigte die Gegendarstellung eines Burger-Braters, der ernsthaft folgendes feststellte: „Das Verpackungsmaterial der McDonald’s-Produkte ist nicht mit der Original-Schindler-Liste bedruckt.“ Eine Werkstatt präsentierte die Waffen der Satire wie spitze Feder, heißes Eisen und Holzhammer. Auch TITANIC-Aktionen in der Öffentlichkeit wurden dokumentiert, etwa der Buntstifte-Lecker bei „Wetten, dass…“ (1988), der Bestechungsversuch bei der Fußball-WM-Vergabe an Deutschland (2000) und die russische Besetzung von Baden-Baden (2014).


„Unsere Zielgruppe ist jung, gut aussehend und extrem gebildet.“

— TITANIC-Chefredakteur Moritz Hürtgen


„Lieber lachen als verkaufen“, so lautet bis heute das Credo bei der Auswahl der Titel, die sich seit jeher um „die relevanteste Zuspitzung des Monats“ bemühen – sei es albern oder anarchisch, erkenntnisreich oder entsetzlich.

Hier geht es zum ganzen Artikel in der Offenbach-Post samt Interview: